Was passiert bei einem großflächigen Blackout? Wie reagieren Gesellschaft und Individuum, wenn wesentliche Infrastrukturen plötzlich gänzlich ausfallen? Diese Fragen standen am Beginn des Projekts Talisman und führten zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit systemischer Krisenvorsorge, psychologischen Grundbedürfnissen und der Rolle von Design in Ausnahmesituationen. Ziel war es, konstruktive Handlungsoptionen jenseits von Alarmismus zu entwickeln – mit einem klaren Fokus auf menschliche Bedürfnisse, psychologische Stabilität und die Rolle von Gestaltung in Situationen hoher Unsicherheit. Und was man gestalterisch zu der Verbesserung einer solchen Situation beitragen kann.
Der Wendepunkt kam zufällig. Beim Lesen eines alten Buches fand sich eine Feldpostkarte als Lesezeichen – der Text knapp, aber emotional tief. Trotz Schmerz, Hunger, physischer Entbehrung, Angst, Isolation und völliger Ungewissheit stand dort nicht: „Hilfe“, sondern: „Bitte schreibt mir, wie es euch geht.“ Das führte mich zur systematischen Auswertung digitalisierter Feldpostarchive – insbesondere aus Kriegsgefangenschaft. Hunderte gesichtete Karten und Briefe folgten demselben Muster – das zentrale Bedürfnis nach emotionaler Verbindung. Nach einem Lebenszeichen der Anderen, der Liebsten. Reduziert auf wenige Quadratzentimeter Papier, oft unter extremsten Bedingungen verfasst – diese Kommunikation ist authentischer als jede Simulation. Die Archive lieferten damit eine unerwartet klare, tief menschliche Antwort – glaubwürdiger als andere Szenarien, und sie fanden ihren Weg ins Zentrum des Projekts. Nicht digitale Vernetzung, sondern das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Lebenszeichen ist die eigentliche Konstante in Ausnahmesituationen.
In Krisensituationen verschieben sich nicht nur Prioritäten – auch die Wahrnehmung von Grundbedürfnissen verändert sich. Digitale Vernetzung, so der Blackout-Experte Herbert Saurugg, wird als das wichtigste Grundbedürfnis unserer Zeit verstanden. Doch betrachtet man diese Vernetzung als Projektion sozialer Bedürfnisse, wird klar: Dahinter steht das tiefere Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Nähe, Sicherheit und Verbindung. Die gestalterische Antwort: TALISMAN
Talisman ist ein reduzierter, robuster Kommunikationshelfer, der in Krisensituationen genau diese eine Frage adressiert – und beantwortet. Er ist die einfachst denkbare Informationseinheit: Ein Lebenszeichen. Ein Signal der Verbindung. Ein schlichtes „Mir geht’s gut“ – auch wenn alle anderen Systeme längst ausgefallen sind. Technisch basiert Talisman auf einem minimalistischen Energie- und Sendesystem, das selbst bei extremen elektromagnetischen Störungen – etwa durch Sonnenstürme – funktionsfähig bleibt. Als Relaisstationen dienen Satelliten: eine Infrastruktur, die bei einem Großteil der denkbaren Blackout-Szenarien erhalten bleibt und selbst bei Sonnenstürmen nur auf der zur Sonne gewandten Seite beeinträchtigt wird. Die Akkulaufzeit beträgt mehrere Wochen. Form und Bedienung sind bewusst reduziert zugunsten von Resilienz, Intuition und Wartungsfreiheit.
Gestalterisch versteht sich Talisman als hybrides Objekt zwischen Technik und Symbol, zwischen Funktion und Bedeutung. Er lässt sich als Schlüsselanhänger, Taschenobjekt oder schlichtes Schmuckstück tragen – gefertigt aus langlebigen Materialien. Optional mit Edelmetallen oder geschliffenen Steinen kombiniert. So wird Talisman zum Alltagsobjekt mit Krisenfunktion – ein Werkzeug der Zukunft, getragen in der Gegenwart. Talisman ist für den Ernstfall gemacht, dient aber auch für die mentale Vorbereitung darauf. Er symbolisiert die menschliche Fähigkeit, proaktiv zu handeln, statt sich ohnmächtig einem Szenario auszuliefern. Ein Produkt, das nicht nur gestaltet wurde, um zu funktionieren – sondern um zu erinnern: An Verbindung. An das, was zählt. Das Bedürfnis der Zugehörigkeit und Lebenszeichen in Ausnahmesituationen.