Fokus: Technisches Kulturerbe & Digitale Dokumentation
Während meiner Tätigkeit bei CraftLab war die Rekonstruktion eines der letzten erhaltenen Stellwagen ein zentrales Projekt. Das Fahrzeug befand sich in einem stark fragmentierten Zustand – über Jahrzehnte zweckentfremdet als Gartenhütte – und musste zunächst vollständig digital erfasst werden.
Eine wesentliche Herausforderung lag in der korrekten Darstellung und Rekonstruktion der unterschiedlichen Holzverbindungen sowie des gesamten Fahrwerks – auf Basis historischer Normen und überlieferten Wissens aus dem Stellmacher- und Schmiedehandwerk. Diese Informationen mussten aus verschiedenen Quellen erfasst, verglichen und zusammengeführt werden. Eine zentrale Erkenntnis im Projektverlauf: Das Originalfahrzeug wurde noch im Wiener Zoll gefertigt (1 Wiener Zoll = 26,34 mm). Die Umstellung der CAD-Software auf diese historische Maßeinheit – und das notwendige Umdenken im Entwurfsprozess – veränderte die Herangehensweise fundamental. Erst dadurch war ein maßgerechter, authentischer digitaler Wiederaufbau möglich.
Die Vermessung und digitale Erfassung erfolgte in Rhino 6. Auf Basis des vorhandenen Bestands sowie historischer Fotografien und Fachliteratur wurde das Fahrzeug schrittweise rekonstruiert. Besondere Herausforderung stellte das nicht erhaltene Fahrwerk dar. Dank noch sichtbarer Bohrungen am Rahmen, historischer Maßeinheiten und technischer Analogien konnte es vollständig rekonstruiert werden – unter Berücksichtigung damaliger Fertigungsmethoden.
Das Projekt steht exemplarisch für eine sorgfältige Annäherung an historisches Handwerk durch digitale Werkzeuge. Die digitale Rekonstruktion bildete die Grundlage für die physische Rekonstruktion – und damit für die Wiederbelebung eines fast verlorenen Stücks Wiener Mobilitätsgeschichte.